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Die Pflanze außer uns und in uns

Die Pflanze außer uns und in uns
Was ist eigentlich eine Pflanze? Nur ein Automat (Descartes)? Ein Lebewesen wie Mensch und Tier oder sogar paranormal? Ein Gedankenleser also? Sind wir der Pflanze vielleicht doch näher als wir denken? Genetisch betrachtet ist ein Mensch nämlich zu 50% Banane.
Dieser Frage ging Professor Ingensiep in seinem philosophischen-biologischen-ästhetischen Vortrag am 28. Februar 2015 zum Thema "Die Pflanze außer uns und in uns" nach. Dabei begab er sich gemeinsam mit den Philosophie- und TOK-SchülerInnen der Stufen EF, Q1 und Q2 auf einen Streifzug zu Pflanzenvorstellungen in der europäischen Kultur. Er begann mit Aristoteles, dem Universalgelehrten der Antike, griff die neuen Entdeckungen der Neuzeit auf und kam schließlich über Darwins Erkenntnisse bis hin zu gegenwärtigen Pflanzenvorstellungen. Als Philosoph und Biologe war es Professor Ingensiep möglich, uns einen breit gefächerten Einblick in diesem Gebiet zu offenbaren und er stand uns am Ende für Fragen bereit, um dann auch eine spätere Diskussion einzuleiten.

I Antike
Aristoteles
, der Begründer der Biologie, stellt die Seelenordnung im Organischen auf. Er vertritt die Meinung einer natürlichen Ordnung; nämlich, dass Pflanzen lediglich über eine "Anima Vegetativa" verfügen und dementsprechend nur mit dem Telos (höchstes Ziel) leben, ihre Art fortzuführen. Tiere dagegen besitzen zu der "Anima Vegetativa" zusätzlich noch eine "Anima Sensitiva", sind also des Fühlens und Empfindens fähig. Der Mensch als höchstes Glied der Hierarchie hat desweiteren eine "Anima Rationalis" und kann dementsprechend vernünftig denken. Nach Aristoteles ist der Mensch das vollkommenste Wesen, er gilt also als Vertreter des Anthropozentrismus.
Zusammenfassend galten somit in der Antike folgende Gemeinsamkeiten zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen: alle drei Organismen verwirklichen eine Idee (griechisch: "Eidos") und haben ein Ziel in sich selbst (griechisch: "Entelechie"). Allerdings dadurch, dass Pflanzen sich laut Aristoteles nicht selbst bewegen können (Prinzip der Selbstbewegung), haben sie keine Psyche und sind also nicht fähig zu fühlen und somit den Menschen und Tieren unterlegen.

II Neuzeit
Der Wandel der Pflanzenvorstellungen von der Antike zur Neuzeit wurde erstmalig dadurch initiiert, dass Pflanzen genau studiert und allein gezeichnet wurden, z.B. im "Rasenstück" von Albrecht Dürer (1503) und in Leonardo da Vincis "Milchstern"(1506).
Auch durch die Entdeckung der "Mimosa Pudica" (1578) stellt sich die Frage, ob Pflanzen empfinden können, da die Mimosa aktive und spontane Reaktionen auf Berührungen zeigt. Die Entdeckung der Telegrafenpflanze ("Desmodium Motorius") widerspricht dem Prinzip der Selbstbewegung der Pflanze, da sie von sich aus spontane Bewegungen erzeugt. Kannenpflanzen ernähren sich von 100 g schweren Koboldmakakis. Die natürliche Hierarchie ist in Frage gestellt. Auch die Entdeckung der Sexualität der Pflanze löste einen Skandal um die Frage auf, ob eine Pflanze mehr ist als nur ein vegetierendes Wesen.
Samuel Butler trieb es 1872 mit seiner Aussage, dass Pflanzen nichts anderes als Tiere unter einem anderen Namen sind ("Vegetables are only animals under another name"), auf die Spitze und drehte somit die natürliche Hierarchie um.

III Gegenwart
In der Gegenwart wurden dann die Fähigkeiten von Pflanzen immer weiter untersucht, bis hin zur Begründung von eigenen Wissenschaften wie der Pflanzenpsychologie und Pflanzenneurobiologie. Es wurden die Ideen aufgeworfen, dass Pflanzen Gefühle und eine Seele oder sogar die Fähigkeit des Gedankenlesens haben könnten. Das sind natürlich nur verrückte Einfälle, die auch Professor Ingensiep nicht teilt. Pflanzen sind autotroph, ernähren sich also nur von anorganischen Stoffen, immobil, da sie immer an einer Stelle verbleiben, rezeptiv, weil sie Reize empfangen, betreiben Fotosynthese und haben keine zentrale Organisation über das Gehirn. Menschen und Tiere hingegen sind heterotroph, mobil, über das Gehirn zentral organisiert und verfügen über Emotionen und Spontaneität.
Diese Unterscheidungen werfen ethische Probleme auf, nämlich ob Wachkomapatienten, so genannte "Human Vegetables", Pflanzen gleichgesetzt sind und somit ergeben sich Probleme mit Patientenrechten. Auf der einen Seite "vegetieren" Wachkomapatienten nur wie Pflanzen vor sich hin, dennoch ist und bleibt ihre Würde unantastbar.

Herr Professor Ingensiep hat am Ende zusammengefasst, dass sich seit der Antike das Pflanzenbild gewandelt hat und daher eine neue Naturbeziehung vorherrscht. Heute sind wir uns sicher, dass Pflanzen zwar nicht über Gefühle und Verstand verfügen, wir diesen autarken, autotrophen Lichtessern jedoch unsere Existenz hier auf der Erde verdanken und ihre Wichtigkeit deshalb nicht zu unterschätzen ist. Mit der Frage: "Wer hat einen größeren Wert: Ein alter Baum oder ein alter Mensch?" leitete er die Diskussion ein.
Wir Schüler bedanken uns recht herzlich bei Herrn Prof. Ingensiep für den informativen und fächerübergreifenden Vortrag, der uns eine neue Perspektive auf die Welt der Pflanzen geboten hat.

Veerle Münch, Katharina Schuler (Abitur 2015)

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